Das Scheitern meiner ersten großen Liebe – ein Gedankenwirrwarr in meinem Kopf


Das Scheitern meiner ersten großen Liebe – ein Gedankenwirrwarr in meinem Kopf

Meine erste große Liebe. Ich erinnere mich noch ganz genau. Es war der 20.September 2019. Es war quasi Liebe auf den ersten Blick und unsere Beziehung hielt über eineinhalb Jahre. Dann wurde es schwierig und im August entschied ich mich dazu, dass es besser wäre, wenn wir uns trennten.

Fridaysforfuture hat mir so viel beigebracht. Ich habe die wundervollsten Menschen kennengelernt und so vieles mehr. Ich weiß jetzt wie man eine Demo organisiert und weiß, dass hinter ein paar streikenden Jugendlichen vor dem Rathaus, viel mehr steckt, als man sieht. Ich weiß wie viel Liebe diese Menschen in sich tragen, was sie alles bereit sind zu geben, für eine gerechtere Welt. Aber ich weiß jetzt auch wie anstrengend es ist gegen ein System vorzugehen, in dem man gezwungen ist zu leben. Und ich weiß leider auch, dass es Kämpfe gibt, die ich nicht gewinnen kann.

Die Stuttgarter Ortsgruppe von FFF war meine erste große Liebe. Die Menschen dort zeigten mir, dass es Hoffnung gibt, und dass eine andere Welt möglich ist. Während alles auf der Welt gerade eher in die falsche Richtung eine rasende Entwicklung hinlegt und Nachrichten schauen schlimmer ist als jeder Horrorfilm, haben die Menschen in meiner Ortsgruppe nie aufgehört zu hoffen. Es gab nicht ein Orgatreffen, nicht eine Demo auf der nicht gelacht wurde, auf der ich nicht in mindestens ein Paar funkelnder Augen schauen durfte. Das ist das was viele Leute uns zum Vorwurf machen. Wir seien die Jugendlichen, die die Schule schwänzen und sich selber feiern.

Sich selber feiern, obwohl wir eigentlich unsere Privilegien nutzen, auf die Straße gehen und solidarisch für Gerechtigkeit kämpfen wollen, geht das? Und ist das was wir tun überhaupt richtig. Oder haben die kritischen Stimmen auf Twitter und Co vielleicht doch Recht und es ist unsinnig, was wir tun? Als ich zu FFF kam, war es der dritte globale Klimastreik. Jetzt findet in zwei Wochen der achte globale Klimastreik statt – zwei Jahre später. Und die Stuttgarter Ortsgruppe möchte diesen Klimastreik als eine Art „Climatejustice Celebration“ stattfinden lassen. Was gibt es denn zu zelebrieren? Die Waldbrände oder die Überflutungen, das Klimapäckchen oder die Abwrackprämie, was genau wollen wir zelebrieren, dass es nach zwei Jahren mit unzähligen Naturkatastrophen und Hitzerekorden immer noch Menschen braucht, die der Politik sagen, dass wir eine bessere Klimagerechtigkeitspolitik brauchen. Das Menschenschutz nicht dadurch gemacht wird, dass wir unsere Autos und Konzerne schützen. Was feiern wir?

Für mich gibt es generell nicht so viel zu feiern, denn ich habe mich wie gesagt im August von FFF getrennt. Seit März habe ich immer wieder versucht Pausen einzulegen, in der Hoffnung, diese würden unsere Beziehung retten, aber das taten sie nicht. Seit dem letzten globalen Streik im März fehlt mir irgendwie die Perspektive. Mit #nomoreemptypromises gingen wir im März auf die Straße und was tun wir jetzt? Wir packen den selben Hashtag wie am 20.09. aus und gehen mit

#AllefürsKlima wieder auf die Straßen, die Politik scheint nicht wirklich berührt davon. Nach bald drei Jahren ist das Aufsehen, das Fridaysforfuture mal verursachte, verschwunden und jede Schlagzeile, die es in der Presse gibt, ist etwas Besonderes. Fridaysforfuture und für bessere Klimapolitik streikende Jugendliche sind ein Teil der Normalität geworden. Um weiterhin gesehen zu werden müssen die Ortsgruppen also immer kreativer werden und immer größerer Aktion planen, damit das Interesse nicht verloren geht. Aber warum? Ist es nicht genug, dass es die größte Menschheitskrise

ist in der wir stecken. Warum braucht es überhaupt Menschen, die dafür auf die Straße gehen? Warum ist unser Land so verdammt privilegiert, dass die meisten Menschen zu Hause sitzen können und behaupten, dass es keine Klimakrise gibt und der Klimawandel nicht so schlimm sei? Warum können Menschen in Deutschland behaupten, dass Menschen, die auf der Flucht sind, keinen Platz

hier hätten? Warum können wir in einer Welt leben, in der sich Menschen Rechte anderer Menschen nehmen und sie zu ihren eigenen machen?

Es ist so viel, dass ich schon wieder den Faden verloren habe. Ich habe immer noch nicht verstanden an was meine Beziehung scheiterte. Und sie fehlt mir. Ich musste Instagram löschen, weil ich es nicht ertrage die ganzen Beiträge und Vorbereitungen für den Globalen Streik zu sehen, aber selber nichts aktiv dazu beizutragen und kein Teil der Gruppe mehr zu sein. Ich kann mich nicht mehr mit meinen Freund*innen treffen, die noch aktiv in der Aktivismusszene sind, weil ich mir nicht anhören kann, wie sie weiterhin versuchen irgendwas zu retten und besser zu machen, während ich die meiste Zeit einfach zu Hause sitze mit einem Dach über dem Kopf und unzähligen Privilegien. Ich bin traurig, weil ich gerne aktiv wäre. Aber manchmal reicht wollen nicht.

Keine Ahnung ob ich im März bei den ganzen Vorbereitungen für den Streik einfach so viel gemacht habe, dass ich ausgebrannt bin, so wie viele Aktivist*innen auch, oder ob ich einfach zu viel fühle und mit so vielen Gefühlen nicht in der Lage bin logisch zu denken.

Ein verlorenes Ziel und ein Berg

Als mich eine Freundin fragte, warum ich ausgestiegen sei und ob ich zurückkommen würde, sagte ich, dass ich Zeit und Abstand bräuchte und manchmal Abstand ganz gut sei, um herauszufinden, warum man etwas tut. Ich habe das Gefühl, dass wir uns als Klimagerechtigkeitsbewegung an manchen Stellen verrannt haben und das Ziel auch nicht mehr so klar ist wie früher, beziehungsweise das Ziel schon, aber der Weg nicht.

Wenn das Ziel klar ist, dann erscheint der Weg immer sehr mühselig und weit. Wenn ich weiß, dass ich noch drei Kilometer laufen muss bis nach Hause, dann weiß ich, wie lange ich noch brauche, und dass da noch ein Berg kommt und bin in Gedanken schon bei dem, was ich tun werde, wenn ich zu Hause bin oder bei dem Berg, obwohl es bis dahin noch zwei Kilometer sind. Wenn ich nicht weiß, wohin ich gehe und wie weit es noch ist, ist es einfacher im hier und jetzt zu bleiben. Ich kann den Weg genießen und alles wahrnehmen so wie es ist und irgendwann komme ich vielleicht am Ziel an.

Ich möchte nicht sagen, dass wir unsere Ziele verwerfen sollten. Eine klimagerechte Welt sollte weiterhin das Ziel bleiben, aber der Weg dorthin ist nicht unwichtig. Deswegen ist es wichtig, dass es eine ClimateJustice Celebration gibt. Denn sie macht Hoffnung, vor allem in einer Welt, die so voller Hass ist. Wir können nicht von heute auf morgen das System ändern, oder AFD und CDU Wähler*innen davon überzeugen, dass eine klimagerechte Welt nichts Schlechtes ist und sie mal wirkliche über ihre Privilegien nachdenken sollten. Dafür können wir uns aktiv für eine bessere Welt einsetzen, aber dabei gehen wir leider viel zu oft selbst kaputt. Weil es prozentual nicht gerecht

verteilt ist. Es gibt zu viele Menschen, die unter den Folgen der Klimakrise und anderen

Ungerechtigkeiten leiden und nicht selber protestieren und an Entscheidungsträger*innen appellieren können, dann gibt es die Menschen, die ihre Privilegien für sich selbst nutzen und eine ungesunde Schutzschicht aufgebaut haben, die sie resistent macht für allerlei Mitgefühl und Verständnis für andere. Und dann gibt es eine kleine Hand voll Menschen, die versucht ihre Privilegien zu nutzen und etwas zu ändern, aber diese Menschen können das nicht alleine. Anstatt Unterstützung vom Staat und staatlichen Institutionen zu erhalten, werden diese Menschen noch mehr im Stich gelassen und ihnen werden Steine in den Weg gelegt. Also auf der einen Seite ist der Druck, den sich die Aktivist*innen selber machen, auf der anderen Seite ist der Zeitdruck, denn Kipppunkte kommen immer näher und die Zeiträume in denen handeln möglich ist, werden immer kleiner und dann kommt noch der Druck vom Staat. Kein Wunder, dass viele von uns ausbrennen.

Umso wichtiger sind gute Momente und gegenseitige Unterstützung. Deswegen die Celebration. Denn wenn man mitten in einem Kampf steckt, in dem man teilweise nicht mal den Rückhalt der eigenen Familie hat, dann werden die Menschen wichtig, die diesen Kampf mit einem führen.

Klimagerechtigkeit ist nichts Schlechtes. Eine klimagerechte Welt ist vielleicht eine Ideologie, aber eine in der es keine Form von Ungerechtigkeit mehr gibt. Und was ist, wenn wir einfach aufhören zu kämpfen, für das was uns wichtig ist und einfach anfangen, das vorzuleben, was uns wichtig ist. Aktivismus muss nicht heißen, immer gegen oder für etwas zu kämpfen. Aktivismus ist doch eigentlich viel leichter zu verstehen als Wörter wie Anarchie oder prophylaktisch, denn es bedeutet

doch einfach nur aktiv sein. Aktiv diskutieren, aktiv atmen, aktiv demonstrieren, aktiv zelebrieren.

Als Klimagerechtigkeitsbewegen haben wir uns immer mehr dem System angepasst, gegen das wir protestieren. Streiken gehen ist immer mehr zu Bequemlichkeit geworden. Mittlerweile sind die wenigsten bereit die Schule zu schwänzen oder während der Arbeit zu fehlen und manchmal ist eine Geburtstagsparty auch wichtiger als eine Demo. So geht es fast allen. Auch mir.

Wir gehen zu Veranstaltungen, halten Vorträge, reden mit Politiker*innen, die dann damit werben, dass sie mit uns gesprochen hätten und ja ganz viel fürs Klima tun würden. Ich weiß gar nicht, was bei solchen Gesprächen geredet wird. Aber die paar Wenigen, die ich geführt habe, habe ich nicht wirklich verstanden, denn ich bin eine einfache Schülerin, die einfach nur sagt, „hört auf die Wissenschaft, nicht auf mich“, denn ich kann nichts Schlaues sagen, was diese Politiker*innen weiterbringt. Aber wir haben uns dem System angepasst und machen seit neustem Lobbyarbeit.

Wie sieht eine bessere Welt aus und gibt es Hoffnung für meine Beziehung?

Ich sehe mich schon wie ich in drei Jahren beim 15. Globalen Streik stehe und mich frage was ich da eigentlich tue, aber eine bessere Idee fällt mir auch nicht ein.

Noch mehr sehe ich mich aber dabei, wie ich in drei Jahren mit meinen Freund*innen am Lagerfeuer sitze und die Augustabende mit den Menschen verbringe, die ich liebe. Wir sitzen im Wald und leben einfach die Ideologie, für die wir einst noch kämpften. Bis wir aufhörten zu kämpfen und anfingen zu leben. Und stellt euch vor, da sitzen noch mehr Menschen, weil sie gesehen haben, wie schön es ist am Lagerfeuer zu sitzen. Sie haben den Wandel mit eigenen Augen gesehen und gesehen, dass er nicht wehtut. Aber auch in der Gesellschaft haben sich Dinge verändert, denn einige Menschen sind

aufgestanden und zur Wahl gegangen, obwohl sie dachten, dass ihre Stimme nichts ändern könnte. Und dann haben sie gemerkt, dass jede Stimme zählt. Also haben sie sich dazu entschlossen ihre Stimme nicht nur alle paar Jahre dafür zu nutzen, um wählen zu gehen, sondern sie einfach regelmäßig zu nutzen und sind deswegen Teil einer Bewegung geworden, die sich für eine gerechtere Welt einsetzt. Diese Menschen haben Stück für Stück angefangen die Mauern in ihren Köpfen einzureißen und zu sehen, dass es nicht schlimm ist zu fühlen und vor allem Mitgefühl zu haben und

zu zeigen.

Werde ich meiner ersten großen Liebe nochmal eine Chance geben? Genau genommen, war nicht Fridaysforfuture an sich meine große Liebe, sondern viel mehr die Menschen dort. Und diese habe ich nie aufgehört zu lieben. Ich habe mich in sie verliebt, als sie am 20. September tanzend ihren Erfolg zelebrierten. Sie haben es geschafft 30.000 Menschen dazu zu bewegen in Stuttgart auf die Straße zu gehen. Ich konnte die Erleichterung und die Freude spüren. Aber fünf Tage später sah ich dieselben Menschen tanzend im Stadtpalais und da waren keine 30.000 Menschen. Es war eine Aktion, die weniger erfolgreich lief, denn es kamen nur ganz wenige Menschen, aber die Menschen

tanzten trotzdem. Es war ein Tanz auf dem Weg Richtung Klimagerechtigkeit.

Ich weiß nicht, ob ich nochmal zu FFF zurückkommen werde, denn viele meiner Freund*innen sind durch oder wegen dieser Art des Aktivismus kaputtgegangen. Viele haben FFF verlassen, andere sind komplett ausgebrannt und manche haben sich radikalisiert. Aber egal wie lange ich brauchen werde, ich weiß, dass ich wieder anfangen werde mit dem Aktivismus, denn das ist irgendwie der einzige Weg um mit einer Welt wie dieser klarzukommen. Und aus einem Scherbenhaufen lassen sich die

schönsten Mosaike bauen.