Gegen Kapital, Staat und Passivhäuser


In der Diskussion rund um die Klimakrise und was dagegen gemacht werden kann, kommt immer wieder das Thema Häuser und Stadtentwicklung auf.

In der Diskussion rund um die Klimakrise und was dagegen gemacht werden kann, kommt immer wieder das Thema Häuser und Stadtentwicklung auf. Und das nicht grundlos. Laut dem Umweltbundesamt kam 2017 gut ein Viertel des deutschen Energieverbrauchs aus Privathaushalten.  

Es wird von nachhaltigen Baugebieten gesprochen, die errichtet werden sollen. Aber wodurch zeichnen sich diese Wohngebiete aus? Was macht sie nachhaltig? Welche Fragen sollten gestellt werden, um ein neues Baugebiet wirklich nachhaltig zu gestalten?

Die richtigen Fragen stellen

Die allererste Frage, die gestellt werden muss, ist: Müssen wir denn überhaupt bauen? Jede Erschließung eines neuen Gebietes verbraucht große Mengen an Ressourcen. Die bessere Lösung ist (immer), bestehende Strukturen zu verdichten. Und nur wenn auf die Frage durchdacht geantwortet werden kann „Ja, wir müssen bauen“, sollte tatsächlich gebaut werden.

Aber auch dann sollten wir nicht im Unverstand bauen, neue Wohngebiete erschließen und Passivhaus neben Passivhaus setzen. Wir müssen auch den Städtebau und die grundsätzlichen Strukturen unserer Baugebiete überdenken. Wie kann der Verkehr, der durch die Bewohner*innen des neuen Viertels entsteht, reduziert werden? Kann das Wohngebiet autofrei gestaltet werden? Gibt es eine gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz?  

Die Konsequenz von Neubauten ist nicht nur die Energie- und Ressourcenverschwendung, die aus Bau und Nutzung der neuen Gebäude entstehen. Sondern auch ganz grundlegend wie die Menschen in und mit ihnen leben. Wie nachhaltig ist es zum Beispiel, dass wir Dienstleistungen, Arbeit und Wohnen in unterschiedlichen Gebieten abtrennen? Diese Funktionstrennung führt nur dazu, dass längere Wege entstehen und somit auch die Mobilität erhöht wird.

Außerdem müssen wir über unsere Formen des Zusammenlebens nachgedenken. „Jeder bewohnte Quadratmeter Fläche in Gebäuden führt zu höherem Energieverbrauch“ schreibt das Umweltbundesamt. Wir müssen mehr (Wohn-)Flächen gemeinschaftlich nutzen. Das bedeutet nicht, dass wir keinerlei Privatsphäre mehr brauchen. Wir sollten nur überdenken, ob wir wirklich so viel Platz nur für uns alleine benötigen, während andere Menschen auf kleinstem Raum leben müssen. Dazu kommt, dass unser dauerhaft wachsender Anspruch nach immer mehr Platz auch dazu führt, dass wir immer mehr Flächen versiegeln. Dies gilt auch für den Autoverkehr und den damit verbundenen Straßen. Die Automobilität und ihre Infrastruktur müssen reduziert, notwendige Verkehrsflächen mit versickerungsfähigen Belägen ausgeführt werden.

Wenn all diese Fragen geklärt sind – ob das Bauen überhaupt notwendig, die Stadtplanung und das Wohnkonzept sinnvoll und der Mobilitätsanspruch minimal ist – erst dann sollten wir uns an das Bauen selbst trauen.

Bild: Ben Engelhard/engelhard.eggler.architektur

Graue Energie

Doch auch beim Bauen ist es nicht so einfach wie oft gesagt wird. Hier geht es nicht nur darum, während der Nutzung des Hauses möglichst wenig Energie und Ressourcen zu verschwenden. Ein großer Teil des Gesamtenergieverbrauchs bei Häusern entsteht während Produktion, Bau und Entsorgung, sogenannte Graue Energie. Und diese ist nicht zu unterschätzen. Es geht auch darum, die Baustelle sinnvoll und nachhaltig zu gestalten, also auch so zu planen, dass möglichst wenig Mobilität durch den Bau selbst entsteht. Zum Beispiel auch dadurch, dass der Aushub nicht abtransportiert wird, sondern anderweitig auf dem Bau verwendet werden kann.

Zusätzlich ist natürlich die Auswahl der Materialien essenziell. Die Produktion von Zement und Beton ist sehr energieintensiv und führt außerdem zu Sandknappheit weltweit. Dämmstoffe sind oft erdölbasiert und Fassadenfarben werden mit giftigen Fungiziden versehen, die mit der Zeit auswaschen und ins Grundwasser gelangen. Hier muss darauf geachtet werden, nachwachsende, am besten lokal verfügbare Rohstoffe wie Holz zu verwenden. – Und vor allem zu hinterfragen, wie ressourcenintensiv gebaut wird. Einen zertifizierten Baustoff einzusetzen ist immer noch schädlicher als ihn erst gar nicht erst zu verwenden

Und da müssen sich auch die den Bau in Auftrag gebenden Personen Gedanken machen, was die eigenen Ansprüche sind und ob diese nicht unnötig hoch sind. Die gesellschaftlichen Standards für „gutes“ Wohnen steigen immer weiter und wir sollten, wie bei vielen anderen Themen auch, hinterfragen, ob wirklich jeder „Fortschritt“ sinnvoll ist oder ob wir nicht auch ohne könnten und sollten.

Zusätzlich sollte sowohl während des Baus als auch am Ende der Lebenszeit des Hauses so wenig Müll wie möglich anfallen. Sind die Baustoffe müllfrei zu transportieren? Entsteht bei der Produktion Müll? Lässt sich der Baustoff selbst umweltfreundlich entsorgen? Muss man ihn überhaupt entsorgen?

Und selbst wenn die Dämmstoffe nachwachsend, lokal und auch sonst komplett „öko“ sind, ist dämmen nicht die ultimative Lösung. Wird ein Haus stark gedämmt, braucht es ein Lüftungssystem um Schimmel vorzubeugen. Das steigert wiederum den Energieverbrauch. Eine sehr aufwendige Hülle braucht dann auch noch einen aufwendigen Ausgleich. Auch hier ist zu hinterfragen, was wir für einen Anspruch haben. Muss immer jeder Raum genau die richtige Temperatur haben? Kann es nicht auch mal ein bisschen kälter oder wärmer sein?

Wohl sollten wir uns trotzdem fühlen

Auch wenn das Bauen und Entsorgen eines Hauses viel Energie und Ressourcen verbraucht, ist die Verwendung natürlich nicht zu vernachlässigen. Hier gilt zu fragen, ob wir den maximalen Komfort, der uns auch durch Medien und Marketing als erstrebenswert verkauft wird, wirklich brauchen. Oder ob wir nicht reduzieren können. Hier geht es vor allem um Heizung und Elektronik. Es fängt bei den kleinsten Dingen an. Darf es auch mal ein paar Grad wärmer oder kälter sein? Muss ein Smarthome-System wirklich meine Rollläden kontrollieren?  

Das soll aber nicht bedeuten, dass wir uns zu Hause nicht wohlfühlen sollen.  Beim Wohnen geht es immer um Wohlbefinden, Sicherheit und eine gute Lebensgrundlage. Menschen bleiben außerdem eher in einem behaglichen Zuhause, müssen also nicht umziehen und noch mehr Bedarf nach neuen Gebäuden schaffen. Dazu gehört auch, dass das soziale Gefüge der Wohngegend gestärkt wird. Und auch hier müssen Fragen gestellt werden:  

Gibt es Räume (innen + außen) für die Begegnung  zwischen den Bewohner*innen? Gibt es die Möglichkeit für gemeinschaftliches Tun? Gibt es die Möglichkeit Ressourcen zu teilen?

Wenn überhaupt gebaut wird, brauchen wir also Gebäude mit neuen Formen des Zusammenlebens, die Platz, Energie und Ressourcen sparen, den Zusammenhalt in der Gesellschaft fördern und die so sparsam wie möglich aus nachwachsenden Materialien gebaut sind. Drumherum brauchen wir eine Städteplanung, die die Wege verkürzt, gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist und somit das Ende des motorisierten Individualverkehrs einläutet.  

Wir müssen weg von verschwenderischen Idealen des Komforts, die beeinflusst sind von Medien, Marketing und Konzerninteressen, hin zu einer angemessenen Gemütlichkeit. Weg von Isolation, Platz- und Ressourcenverschwendung, hin zu einem nachhaltigen, offenen, sozialen Zusammenleben.