GNTM, danke für nichts.


Wann habe ich angefangen daran zu zweifeln, dass mein Körper okay so ist, wie er ist? Darüber diskutiere ich mit meiner Schwester Eli, die Kunsttherapie studiert während wir uns im Schwimmbad sonnen. Wir sind uns einig: Bevor wir das erste Mal die Show „Germanys next Topmodel“ gesehen haben, war unser Verhältnis zu unserem Körper anders.

GNTM, danke für nix!

TW: Essstörung.

 

Wann habe ich angefangen daran zu zweifeln, dass mein Körper okay so ist, wie er ist? Darüber diskutiere ich mit meiner Schwester Eli, die Kunsttherapie studiert während wir uns im Schwimmbad sonnen. Wir sind uns einig: Bevor wir das erste Mal die Show „Germanys next Topmodel“ gesehen haben, war unser Verhältnis zu unserem Körper anders.
„Das hängt eindeutig zusammen. Ich habe davor nie nachgedacht und danach fand ich mich zu dick und wollte abnehmen“ sagt Eli nachdenklich. Schon krass, denke ich und wir kommen ins Gespräch über die inszenierten Unfälle in der Show (mehr Infos im Video von Rezo, wo er auf die Lügen und Missbrauchsskandale bei GNTM eingeht). Ganz schön gefährlich, junge Menschen nur für Einschaltquoten in Gefahr zu bringen – physisch und psychisch.

GNTM ist Auslöser für Essstörungen
„Ich würde sogar sagen, ich war irgendwie essgestört, nachdem ich GNTM gesehen habe“ meint Eli und ich kann dem nur zustimmen. Auch ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht: Die erste Phase meiner Teenager-Zeit, in der ich mich nicht schön und schlank genug gefühlt habe begann, nachdem ich das erste Mal Heidi Klums Sendung konsumiert habe. Nachdem ich ein halbes Jahr sehr restriktiv gegessen hatte, merkte ich, dass ich nur noch über meine Figur nachdachte und mir mein Verhalten aber schadete. Ich wurde viel öfter krank und war sehr unruhig. Also habe ich mich entschieden, damit aufzuhören.
Das hat zumindest ein paar Monate ganz gut geklappt. Als ich dann aber ein bisschen zugenommen hatte bekam ich Angst und fiel in die nächste Phase sehr restriktiven Essverhaltens. Ich habe insgesamt etwa fünf Jahre damit gekämpft und die meiste Zeit habe ich mir eingeredet das sei ja normal was ich mir antue. Ich dachte ernsthaft es sei normal, dass ich abends immer nur das Gleiche essen kann, die ganze Zeit meine Kalorien zähle und mich regelmäßig zum Sport zwinge, obwohl ich überhaupt keine Kraft habe. Es gab nur ein paar Momente in denen mir klar wurde, dass etwas nicht stimmt. Das war, als ich panisch wurde, nachdem ich im Urlaub einen Teller mit Tortellini gegessen hatte. Ich dachte ich muss jetzt mindestens zwei Stunden joggen gehen, damit das ausgeglichen ist.
Das ist nicht normal oder gesund. Ich habe irgendwann gemerkt, dass mir mein Leben mehr Wert ist und dass ich etwas verändern muss. Dass mein Körper mir heilig ist und ich ihm Gutes tun möchte.
Aber das ist ein steiniger Weg, bei dem es gut ist, sich Hilfe zu holen. (Du findest unter dem Artikel Hilfsangebote bei Essstörungen).

Es ist belegt
„Eine IZI-Studie untersuchte die Rolle von Fernsehsendungen im Kontext von Essstörungen wie Magersucht und Bulimie aus Sicht der Betroffenen. Die Befragung von 241 Menschen, die aktuell in Behandlung wegen einer Essstörung sind, zeigt:
Besonders Germany’s Next Topmodel kann die die psychosomatische Krankheit verstärken. Für fast ein Drittel der Betroffenen war die Sendung entscheidend für die eigene Krankheitsentwicklung.“ Sagt der Bundesfachverband für Essstörungen.
Obwohl ich und meine Schwester es selbst erlebt haben, schockiert mich dieser Fakt. GNTM setzt unerreichbare Normen und stellt den Körper und das Aussehen junger Frauen in den Mittelpunkt. Dabei wird der Wert der Kandidatinnen an ebendiesem gemessen.
In einer Gesellschaft, in der weiblich sozialisierte Menschen ständig auf ihr Äußeres reduziert werden, wirkt das verstärkend und es ist extrem gefährlich. Mal ganz abgesehen davon, dass die jungen Frauen gezwungen werden Dinge zu tun,die sie nicht wollen – zum Beispiel in Bezug auf Nacktheit, Küssen etc.
Konsens, Nein sagen und eigene Grenzen setzen? Das lernen wir nicht bei Heidi Klum. Und Respekt vor dem Nein einer minderjährigen scheint in der Sendung auch keine Rolle zu spielen. Das wird zum Beispiel in einer Szene deutlich, in der eine Kandidatin sich nicht nackt zeigen will, aber dann von Heidi „überzeugt“ wird.
So weit, so toxisch.

Wir sind keine Maschinen
„Das erstrebenswerte Ziel ist es, die eigentlichen Wahrnehmungen, Gefühle und Bedürfnisse zurückzustellen, um sich perfekt an die Anforderungen und Normen anderer anzupassen und sie in ihrem Anliegen nicht zu stören“, schreiben die Wissenschaftlerinnen der IZI-Studie. „Empfindungen wie Müdigkeit und Kälte oder Gefühle wie Scham, Ekel, Wut oder Angst müssen unterdrückt werden.“
Die jungen Frauen werden wie Puppen in Kostüme gesteckt. Jedes Pickelchen, jeder nicht vorhandene Bauch wird versteckt und sie müssen abliefern. „So geht man nicht mit Menschen, sondern mit Maschinen um“ findet Eli. Aber wir sind keine Maschinenkörper, die in das enggestrickte Raster eines sozial konstruierten Bildes von Frau-Sein und Perfektion passen. Und wir müssen es nicht sein. Jedes Fettpolster an meinem Körper ist genau richtig. Denn diese sind essenziell für körperliche Funktionen wie meine Menstruation.
Ich bin verdammt nochmal lebendig und will meine wertvolle Zeit nicht dafür opfern, über Kaloriengehalte irgendwelcher Lebensmittel nachdenken. Ich bin noch auf dem Weg, mich mit meinem Körper anzufreunden und die Vorstellungen, die mir auf Instagram, in Werbung und Fernsehen gezeigt werden nicht auf mich anzuwenden. Ich will endlich aufhören, mich selbst zu einem Objekt zu machen. Ich schulde niemandem Schönheit.

Hier findest du Hilfe bei Essstörungen: https://www.bzga-essstoerungen.de/hilfe-finden/?L=0