Hört auf das Klima zu schützen!


Klimagerechtigkeit vs Klimaschutz Stuttgart, eine IG-Metall Demonstration, Fahnen, Plakate, Demonstrierende. Die Tagesschau fragt mich,…

Stuttgart, eine IG-Metall Demonstration, Fahnen, Plakate, Demonstrierende.

Die Tagesschau fragt mich, Fridays for Future Aktivistin, für ein Live-Streitgespräch mit Nick, Azubi zum Industriemechaniker, an. Wir treffen uns auf der Demo und die Tagesschau betitelt den Stream mit „Ist es uns wert für den Klimaschutz tausende Jobs zu verlieren?“

Aus dem Streitgespräch wird leider nichts. Nick und ich verstehen uns ziemlich gut.

Dass der Plan eines fetzigen Streits vor laufender Kamera nicht funktioniert, überrascht mich nicht besonders: Journalist*innen kennen sich oft nicht in der Materie aus und wissen – wie viele – Klimaschutz und Klimagerechtigkeit nicht so recht zu unterscheiden.

So ist in den Köpfen einiger Leute auch das Bild von wilden Ökos noch dominant, die Bäume und Juchtenkäfer retten wollen, denen Menschen aber egal sind. Und vor allem die Arbeitsplätze! Klimaschutz, ereifern sie sich, dürfe nicht auf dem Rücken des „kleinen Mannes“ gemacht werden! Unverschämtheit! Diese Kritik ist so albern und uninformiert, dass ich einfach zustimmen muss: Stimmt, Menschen sind nicht egal. – Deswegen gehen wir auch für Klimagerechtigkeit auf die Straße- und nicht nur für Klimaschutz.

Was aber ist überhaupt der Unterschied?

Wikipedia macht einen ganz guten Anfang, um Klimaschutz von Klimagerechtigkeit zu unterscheiden. Dort werden die beiden Begriffe im jeweils ersten Satz der Artikel wie folgt erklärt:

Klimaschutz ist der Sammelbegriff für Maßnahmen, die der durch den Menschen verursachten globalen Erwärmung entgegenwirken und mögliche Folgen der globalen Erwärmung abmildern oder verhindern sollen.“

Klimagerechtigkeit ist ein normatives Konzept und Teil der Umweltgerechtigkeit, das den gegenwärtigen anthropogenen Klimawandel als ein ethisches und politisches Problem betrachtet, anstatt lediglich als eine Umwelt- und technische Herausforderung.“

Der Begriff Klimaschutz ist verwirrend. Klima, das ist laut Umweltbundesamt „der mittlere Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet über einen längeren Zeitraum“. Wie soll dieser Zustand denn geschützt werden? Und warum?

Genau, geht nicht. Beziehungsweise ist es dem Klima ziemlich egal, ob wir es schützen oder nicht. Klingt so, als könnte das auch für uns eher egal sein – wenn es dabei nicht um die Zerstörung unserer Lebensgrundlage ginge. Schon treffender ist der Begriff Umweltschutz, der häufig synonym zum Begriff Klimaschutz verwendet wird. Denn es ergibt ja durchaus Sinn, die Umwelt, die Natur, unseren Lebensraum zu schützen. Darüber hinaus sehe ich es auch als unsere Verantwortung, die Ökosysteme, Artenvielfalt und Tierwelt eben nicht zu zerstören sondern zu erhalten.

Damit hört es aber nicht auf.  Wir wollen Natur und Umwelt schützen, aber nicht einfach, weil wir gerne in ihr spazieren gehen oder um jeden Preis. Wenn man dies durchdenkt, kommt man zu der (richtigen) Annahme, dass es der Mensch ist, der von allen Faktoren die Umwelt am nachhaltigsten zerstört. Konsequenterweise müsste man daraus Klimaschutzmaßnahmen entwickeln, die Menschen unterdrücken, einschränken oder im extremsten Fall sogar auslöschen könnten. Der Umwelt wäre geholfen, den Menschen nicht, ganz im Gegenteil.

Das ist nicht unser Ziel.

Denn im Zentrum der ganzen Klimakrisen-Thematik steht ja gerade der Mensch. Und eigentlich ist das, was wir fordern und machen nicht Klimaschutz. Sondern in erster Linie Menschenschutz.

Ich würde sogar sagen, der Kampf gegen die Klimakrise ist eine einzige große Liebeserklärung an die Menschen und die Welt selbst.  

Warum Gerechtigkeit wichtig ist

Halten wir also fest: Klima- oder Umweltschutz ohne Menschenrechte sind nicht erstrebenswert.

Wie aus der Wikipedia-Definition schon ersichtlich wird, geht nun die Klimagerechtigkeit einen Schritt weiter und stellt die ökologischen Herausforderungen in einen ethischen und politischen Rahmen.

Klimagerechtigkeit ist ein Konzept, das komplexe Probleme und deren Lösung unter einer Idee zusammenfasst. Die ökologische Komponente, also Umweltschutz, ist ein Teil der Klimagerechtigkeit, denn auch sie beeinflusst Menschen und verursacht Ungerechtigkeit.

Aber auch Generationengerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Soziale Gerechtigkeit gehören dazu, wenn wir von Klimagerechtigkeit sprechen. Stellen wir uns potenzielle Szenarien einer Klimaschutz-Politik einmal vor: Die Automobilindustrie wird massiv beschränkt und tausende Menschen verlieren von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz. Treibhausgase werden hoch besteuert und nur noch Reiche können sich einen großen ökologischen Fußabdruck leisten. Alle Länder der Erde bekommen die gleichen Auflagen, egal wie viel sie zur menschengemachten Klimakrise beitragen oder wie viel sie unter ihr leiden. – Oder unterschiedliche Auflagen, die bereits vorhandene Ungerechtigkeiten noch verstärken. Das ist nicht die Welt, die wir uns wünschen. Klimagerechtigkeit zum Ziel zu haben heißt immer auch, dass der Weg dorthin ein gerechter sein muss. Eine klimagerechte Welt sähe zum Beispiel so aus: Die Automobilindustrie wird massiv zurückgebaut und die Menschen, die nicht mehr dort arbeiten können, werden von Politik und Wirtschaft aufgefangen. Beispielsweise mit einem bedingungslosen Grundeinkommen oder Alternativjobs in den Erneuerbaren Energien. – Oder: Die großen Konzerne werden direkt enteignet und demokratisiert. Klimaschädliche Praktiken werden grundsätzlich verboten, obsolet (also unnötig) gemacht oder für alle eingeschränkt, ohne dass finanzielle Mittel bevor- oder benachteiligen. Global wird ein Konzept entwickelt, das berücksichtigt, wer auf wessen Kosten welche Anteile an der Klimakrise trägt und wie vor dem Hintergrund dieser Geschichte gerecht Veränderungen umgesetzt werden müssen.

Die Macht der Sprache

Es ist wichtig, dass wir aufhören über „Klimaschutz“ oder „Klimawandel“ zu reden. Klimaschutz – hört sich nett an, kann man mal machen, muss man aber nicht. Klimawandel – Wandel! Ist doch an sich nichts Schlechtes, was ist das Problem?

– Wording ist wichtig, denn so kommunizieren wir nach außen. Und Worte formen Einstellungen und Einstellungen bewirken Verhaltensänderungen – oder eben nicht. Und das, was wir kommunizieren wollen, ist nun mal die Klimakrise und als Lösung zu ihr die Klimagerechtigkeit.

Ich freue mich auf den Tag, an dem unser Anliegen auch so verstanden wird. Dass wir nicht gegen die Menschen kämpfen, sondern für sie. Dass die ökologische Krise nicht von einer menschlichen zu trennen ist. Und dass im Kern unseres Protests die Gerechtigkeit steht und das gute Leben für alle.  Ich freue mich darauf, wenn Menschen verstehen, dass wir ja, für Juchtenkäfer und Bäume kämpfen. Aber eben auch für Annette, die Arbeiterin bei einem großen Stuttgarter Autohersteller und Nick, den Azubi und vor allem: Für die Menschen, die schon jetzt unter den Folgen der Klimakrise leiden.

Und darauf, wenn es keine Überraschung mehr ist, dass sich zwei junge Menschen nicht streiten wollen, sondern eine gemeinsame, gerechte Zukunft sehen.