Wozu mache ich das eigentlich? Ich verbringe manchmal 40 Stunden oder mehr in der Woche mit Arbeit für die Klimabewegung und trotzdem: Meistens bin ich mir nicht gar nicht so sicher, mit welchem Ziel. Wir starten ein Experiment und veröffentlichen Eure Zusendungen mit Euren Antworten auf die Frage: Welchen Kampf kämpfst Du in der Klimabewegung?
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Ich bin mir sicher, dass wir alle in der Klimabewegung sind, weil wir ganz aufrichtig etwas gegen die Klimakrise tun wollen. Aber wie sollte diese Kampf Deiner Meinung nach aussehen? Sende uns Deine Antwort(en) bis zum 5. Oktober an redaktion@druckmagazin.org oder via Privatnachricht bei Instagram und Twitter an @druckmagazin. Wir veröffentlichen Eure Diskussionsbeiträge in einem Spezial nach dem Globalen Klimastreik – und vielleicht sogar in der nächsten Printausgabe.
„Lucia, gehst du für dich auf Straße oder weil du etwas verändern willst?“, fragt Josef (Name geändert) und fixiert mich von meinem Bildschirm aus. Es ist August, unfassbar warm in unserem Wohnzimmer und ich habe eine hitzige Zoom-Diskussion mit einem Freund von FFF. Josef hat sich zwei Jahre in Bewegungstheorie eingelesen, bevor er bei FFF aktiv wurde; jetzt ist er sowas wie mein inoffizieller Strategieberater. Ursprünglich hatten wir uns verabredet, weil er eine einzige Frage mit mir klären wollte, bevor er in den Urlaub geht. Jetzt diskutieren wir seit über einer Stunde.
Ich zögere. Ich hole tief Luft, halte sie an. Kann doch nicht sein, dass die Antwort auf diese Frage nicht wie aus der Pistole geschossen kommt. Dass ich darüber nachdenken muss.
Dann fällt mir doch etwas ein. Mit einem Tonfall zwischen erleichtert und trotzig sage ich: „Darum geht es gar nicht. Natürlich gehe ich nicht für mich auf die Straße oder weil ich es so toll finde. Aber ich muss doch auch hinter meinem Aktivismus stehen. Es muss doch authentisch sein. Und manchmal“, schiebe ich hinterher, „geht es eben auch einfach darum, es richtig zu machen und nicht um maximale Mobilisierung.“
Diskussionen, die keinem politischen Zweck dienen
„Okay“, sagt Josef und jetzt sieht er etwas verzweifelt aus. „Eins vorweg: Ich will dich nicht überzeugen. Mein Motto ist immer: erklären statt überzeugen. In Ordnung?“ Ist in Ordnung. Und dann rollt Josef etwas von vorne auf, das er scheinbar schon oft erzählt hat: Er redet über Occupy Wallstreet, der Bewegung, die im Jahr nach der Finanzkrise weltweit Menschen dazu brachte, unter dem Motto „We are the 99 percent“ vor den Börsen in ihrer Nähe Plätze dauerhaft zu besetzen. Die einen Hype auslöste, mit den „99 Prozent“ einen stehenden Begriff prägte – und die dennoch scheiterte. Ob das wohl auch mit FFF passieren wird?
„Dass Zerfaserung und Demotivation nach eineinhalb Jahren eintreten, das ist eine Geschichte, die jede Bewegungswissenschaftlerin langweilt. Und das ist meistens ausgerechnet der Moment, in dem die Menschen in der Bewegung das Gefühl haben, dass sie wächst und breiter wird. In Wirklichkeit“, sagt Josef, „verstricken sich die Organisator*innen dabei in Diskussionen, die sich um sie selbst drehen. Die keinem politischen Zweck dienen. Bei denen es manchmal“, er sieht mich ernst an, „einfach nur darum geht, es richtig zu machen.“
Umstrittene Fragen
Nach unserem Gespräch bin ich nicht überzeugt, aber nachdenklich. Den ganzen Nachmittag bin ich in meiner eigenen Welt unterwegs und werfe Gedankengebäude um, die ich monatelang in Kleinstarbeit zusammengepuzzelt habe. Tut ein bisschen weh. Sorgt am nächsten Tag aber für neue Klarheit und dafür, dass ich mich für ein politisches Ziel – nein, also entscheiden wäre zu viel gesagt, sagen wir: mich ihm annähere. Und zwar, Berufspolitiker*innen in Deutschland dazu zu bringen, die Emissionen in Deutschland drastisch zu senken. Und einen großen nächsten Streiktag, zumindest was das angeht bin ich ganz entschieden.
Aufhänger unserer Debatte war die Frage nach der Intersektionalität (https://www.uni-bielefeld.de/gendertexte/intersektionalitaet.html). Seit den Black Lives Matter – Protesten im Frühsommer ist sie zentral geworden für FFF und dreht sich grob darum, ob und wenn ja, wie wir über die Verflechtung der Klimakrise mit anderen Krisen reden sollten. Zum Beispiel über Rassismus und Sexismus, wie sie sich im Wechselspiel miteinander verhalten und wie das mit Kapitalismus und Klima zusammenhängt, vereinfacht gesagt.
Intersektionales Denken ist unbestritten wichtiger Teil einer Bewegung, die sich hinter das Konzept Climate Justice stellt. Gleichzeitig ist es eine umstrittene Frage, wie intersektionaler Klimaschutz im FFF-Style aussehen sollte. Die Einen haben primär Sorge, das Thematisieren anderer Kämpfe könnte unsere Konturen unscharf machen und den Erfolg der Bewegung gefährden. Die Anderen wollen vor allem endlich ein FFF, das strukturelle Diskriminierung aufarbeitet, niemanden ausschließt und in diesem Zuge auch unsere Kommunikation nach außen verändern.
Keine Gespräche, nur Stellvertreterkriege
Je länger die Diskussion andauert, desto unvereinbarer scheinen die beiden Sichtweisen zu werden. Wobei, was heißt hier eigentlich Diskussion – tatsächlich kommt es selten bis nie dazu, dass die Uneinigkeit wirklich in einer größeren Gruppe mit Vertreter*innen beider Positionen zum Thema würde. Es werden höchstens hier und da Stellvertreterkriege geführt, die immer mit der Koordination eines Projektes zusammenhängen. Und das, obwohl es mir logisch vorkommt, dass Austausch das einzige Mittel gegen Zerfaserung ist.
Ich bin mir sicher, dass wir alle bei FFF sind, weil wir ganz aufrichtig etwas gegen die Klimakrise tun wollen. Wie wir diesen Kampf kämpfen wollen, darüber sind wir uns uneinig. Und sicherlich auch individuell unsicher (woraus vermutlich die oft sehr aufgeregten Auseinandersetzungen entstehen), so wie ich. Denn ich kann mich zwar durchaus mit dem realpolitischen Ziel anfreunden, die Bundes- und Landesregierungen sowie unsere Oberbürgermeister*in zur Treibhausgasreduktion zu bringen.
Wir wollen eine Chance auf ehrlichen Austausch bieten
Aber ich weiß ehrlicherweise nicht, ob der Staat als Konstrukt der 1,5 Grad-Grenze nicht widerspricht, ob Gemeinwohlökonomie vielleicht schon reicht oder wir einen ökologischen Sozialismus brauchen, und ob wir als Bewegung Rassismus und Klimakrise in Einem angehen oder einen rassimuskritischen Klimakampf führen sollten (und ob das wirklich zwei unterschiedliche Dinge sind). Bei FFF haben wir selten Raum ung Zeit, um uns tiefgehend über diese grundlegenden Fragen auszutauschen.
Das Druck!-Magazin gibt es, weil Charlotte, Ben, Valeria, Nisha und ich ein Bedürfnis nach Reflexion unseres Aktivismus haben. Vermutlich geht es Vielen so. Also ist es vielleicht eine Chance auf wahrhaftigen Austausch, dass es Druck! gibt. Wir wollen diesen Raum ab jetzt öffnen.
Schickt unsere eure Antworten (auch unfertige oder die Erklärung, warum ihre keine Antwort habt) an redaktion@druckmagazin.org oder via Privatnachricht bei Instagram und Twitter bis zum 5. Oktober an @druckmagazin. Wir veröffentlichen Eure Diskussionsbeiträge in einem Spezial nach dem Globalen Klimastreik – und vielleicht sogar in der nächsten Printausgabe.