Obwohl es weltweit den wissenschaftlichen Konsens gibt, dass die Klimakrise menschengemacht ist, gibt es noch immer Menschen, die sie leugnen. Vor allem im rechten politischen Spektrum ist Leugnung und Verschwörung verbreitet und kultiviert.
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Dass der Mensch die Klimakrise durch seinen unverhältnismäßigen Ausstoß von Treibhausgasen befeuert, ist längst bewiesen und bekannt. Doch noch immer gibt es Menschen, vom „niedrigsten“ Bildungsniveau bis zum „höchsten“, die die Existenz und die Bedrohung dieser Krise leugnen. Und das kann verschiedenste Gründe haben.
Zum einen kann die Leugnung der Klimakrise auf Existenzängsten beruhen. Anstatt sich mit den Gefahren und Bedrohungen auseinanderzusetzen und womöglich zu erkennen, dass die Lösung dieser existenziellen Herausforderung eine riesige Herausforderung wird, wird diese zum Selbstschutz ausgeblendet.
Natürlich gibt es Menschen, die von der Leugnung der Klimakrise profitieren. Konzerne, die durch die Ausbeutung der planetaren Ressourcen Profit machen, Wissenschaftler*innen, die auf der Gehaltsliste ebendieser Konzerne stehen und auch Menschen, die durch den puren Schockfaktor und das „Dagegen“, das das Leugnen der Klimakrise ausstrahlt, Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen.
Und was hat das mit Ideologie zu tun?
Was aber auch auffällt: Im konservativen, beziehungsweise gerade im rechten politischen Spektrum ist das Leugnen von Wissenschaft und Fakten sehr verbreitet. Woran liegt das?
„Die Klimakrise ist ein globales Problem. Ein Problem, das nur in internationaler Zusammenarbeit in den Griff zu kriegen ist. Gegen die Klimakrise kann man sich nicht abschotten. Man kann gegen die Klimakrise keine Mauern bauen, und auf sie schießen kann man auch nicht. Das fand ich einen sehr interessanten Gedanken. Der Nationalismus ist nämlich strukturell unfähig, globale Krisen in den Griff zu bekommen. Und da in einer immer vernetzteren Welt immer mehr Krisen globale Ausmaße annehmen, könnte man also entweder zugeben, dass der Nationalismus kein Gesellschaftssystem mit Zukunft ist, oder … man leugnet einfach, dass es diese Krisen gibt.“
schreibt Marc-Uwe Kling in einem Text für die ZEIT.
Die Psychologen Stephan Lewandowsky und Klaus Oberauer meinen dazu: „In vielen Situationen werden Forschungsergebnisse nicht deshalb zurückgewiesen, weil die Leute falsch informiert sind. Vielmehr steht die Wissenschaft im Widerspruch zu ihren Weltanschauungen, zu ihren politischen oder religiösen Überzeugungen.“ Viele wissenschaftliche Erkenntnisse stehen offensichtlich im Gegensatz zu konservativen, rechten Werten und Ideologien. Die Herausforderungen der Klimakrise sind zum Beispiel mit freiem Markt, Individualismus und auch Nationalismus nicht lösbar. Der Mensch versucht dann, die eigene Identität zu schützen und stellt die Wissenschaft anstatt sich selbst in Zweifel.
Foto: Ben Engelhard
Studien ergaben auch, „dass es eine positive Korrelation gibt zwischen Klimawandelleugnung und hoher sozialer Dominanzorientierung“ (Dominanzorientierung von Wikipedia definiert als „Neigung für die Befürwortung gruppenbasierter Hierarchien und gruppenübergreifender Dominanz“) gibt. So ist zum Beispiel auffällig, dass überproportional viele weiße konservative Männer den Klimawandel bestreiten.
Die Rote oder die Blaue Pille
Werden Leugner*innen dann doch mit den Fakten konfrontiert, so Lewandowsky und Oberauer, wird häufig eine Verschwörung innerhalb der Wissenschaft vermutet. Dies führt wiederum oft zu sogenanntem „Redpilling“. Wer die „Rote Pille“ einmal geschluckt hat, also das anscheinende Belügen der Bevölkerung erkannt hat, ist offen für noch mehr Verschwörungstheorien.
Rechtsextreme Gruppierungen wie die Identitären zum Beispiel benutzen die Metapher der Roten Pille: „Die Rote Pille zu schlucken, bedeutet ein unsanftes Erwachen aus vertrauten Illusionen und flächendeckend verbreiteten Lügen; es bedeutet aber in der Folge auch einen Zugewinn an Erkenntnis, Souveränität und Freiheit.“
Diese Verschwörungstheorien schaffen eine Welt mit ihren eigenen Fakten, die auch die unwissenschaftlichsten und menschenverachtendsten Ideologien „erklären“ und „legitimieren“. Dadurch, dass sich um Verschwörungstheorien eigene Gruppierungen und Gemeinschaften formen, die größtenteils unter sich sind und unter sich die eigene Lebensrealität kultivieren, ist es unglaublich schwer, aus dieser Blase auszubrechen. Nicht nur die Identität und das Weltbild hängen von diesen „alternativen Fakten“ ab. Auch das gesamte soziale Umfeld würde wegbrechen, würden sich einzelne Verschwörungstheoretiker*innen selbst hinterfragen.
Außerdem kann natürlich fehlendes wissenschaftliches Verständnis eine Rolle spielen. Viele Klimaleugner*innen spüren einen Widerspruch zwischen ihrer Intuition und den wissenschaftlichen Fakten und stellen somit eher die Wissenschaft anstatt sich selbst in Frage. Jedoch ist es nicht so, dass mit „höherem“ Bildungsstand auch die Akzeptanz wissenschaftlicher Fakten zunimmt. Unter Linken nimmt die Zahl derer, die den Forscherkonsens zum Klimawandel akzeptieren, mit steigendem Bildungsgrad zu – unter Konservativen hingegen sinkt mit besserer Bildung die Akzeptanz klimawissenschaftlicher Erkenntnisse. Der Journalist Chris Mooney nennt diesen Effekt den „Smart Idiot Effect“: „Bessere Bildung führe lediglich zu „schlaueren Idioten“ – also dazu, dass sich Menschen anspruchsvollere Begründungen (oder Verschwörungstheorien) dafür ausdenken, warum die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht stimmen können.“
Wissenschaftler*innen der Yale University untersuchten diesen Effekt genauer: In einem ersten Schritt wurde den Proband*innen eine Tabelle mit Zahlen zur Wirksamkeit einer Hautcreme vorgelegt. Auf den ersten Blick zeigte sie die augenscheinliche Wirksamkeit der Creme, auf dem Zweiten wurde aber deutlich, dass sie unwirksam war. Proband*innen mit niedrigerem Bildungsstand werteten die Tabelle eher falsch aus als Proband*innen mit höherem Bildungsgrad. Wurde die Beschriftung der Tabelle jedoch durch das politisch polarisierende Thema Waffenbesitz und Kriminalitätsrate ersetzt, verliefen die Unterschiede bei der Auswertung nicht entlang des Wissensgrades, sondern entlang der politischen Orientierung.
Doch was machen wir jz draus?
Und all das machen sich auch Populist*innen zu nutze. Wissenschaft, Fakten und Wahrheit sind nicht mehr notwendig, um Menschen zu überzeugen. Es ist wesentlich einfacher, deren Intuition zu bestätigen und deren Lebensrealität zu reproduzieren. So fühlen sich mögliche Unterstützer*innen verstanden und vertrauen eher denen, die sie bestätigen, anstatt denen, die –eventuell unbequeme- wissenschaftliche Fakten verbreiten.
Wirklich konkrete und nachgewiesen effektive Wege gegen diese Art von Leugnung vorzugehen gibt es nicht. Verschiedenste Wissenschaftler*innen, Autor*innen und Denker*innen schlagen verschiedenste Wege vor. Die einen setzen auf Bildung, während andere sagen, dass diese nichts bringe. Es ist ja nicht einmal sicher, ob alle Diskussionspartner*innen in der Lage oder gewillt sind, auf der Basis rationaler Argumentation und wissenschaftlicher Fakten zu argumentieren. Ein weiterer Ansatz ist, die Debatte eher zu anderen Themen zu verschieben, die zwar noch immer mit der Klimakrise zusammenhängen, aber zum Beispiel weniger theoretisch und näher an der Lebensrealität der Menschen ist.
Vielleicht braucht es leider erst eine spürbare Katastrophe, bis mehr Menschen der Realität der Klimakrise in die Augen sehen.
https://www.zeit.de/2020/08/kaenguru-chroniken-klimawandel-afd/komplettansichthttps://www.klimafakten.de/meldung/die-grosse-verschwoerung-warum-verweigern-sich-menschen-wissenschaftlichen-erkenntnissende.wikipedia.org/wiki/Leugnung_der_menschengemachten_globalen_Erwärmunghttps://vernunftpraxis.de/redpilling/