Sommer im siedenden Kessel


Warum wir immernoch die Welt retten müssen!

Wir schreiben den 8. August 2020. Seit Wochen herrscht im Stuttgarter Talkessel flirrende Hitze. Wenn ich morgens aufwache, glänzen schon die ersten Schweißperlen auf meiner Stirn. Es ist schon in den frühen Morgenstunden 32°C, und damit sind wir nicht einmal im aktuell wärmsten Gebiet Deutschlands. Jede Bewegung ist anstrengend und ruft leichte Schwindelgefühle hervor. Selbst der kleine Kühlschrank in der Küche taut leicht ab, es ist einfach zu heiß. Täglich hören wir draußen Sirenen der Krankenwagen, die den durch die Hitze kollabierenden Menschen zur Hilfe eilen.  Wenn ich durch den Wald spaziere, um im Schatten der Blätter ein wenig kühle Luft zu atmen, so fällt mir auf: Die Blätter der Bäume vertrocknen langsam, werden gelb. Sie segeln zu Boden, wo sie auf dem, sonst feuchten, jetzt aufgebrochenen Waldboden liegen bleiben. Die Kastanien und Buchen, die sehr hitzeempfindlich sind, sehen nach Herbst aus.

Eine Dystopie?

2020 fühlt sich an, wie ich mir den Sommer in einem Vierteljahrhundert vorgestellt hatte. Sie ist da, die Klimakrise, und sie macht lautstark auf sich aufmerksam in diesem dritten Hitzesommer in Folge. Sie lässt nicht mit sich verhandeln – obwohl die Politiker*innen die den Kohleausstieg auf 2038 festgelegt haben, das immer zu glauben scheinen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt vor Missernten, wenn es nicht bald regnet. Doch der letzte Regen ist schon einige Wochen her, und kein linderndes Tröpfchen in Aussicht. Mal ganz abgesehen von den Schweißtröpfchen, die sich bei den Sorgen um die Zukunft der Erde und der Menschheit auf meiner Stirn bilden. Als wir Ende November 2018 das erste Mal auf der Straße standen mit selbstbemalten Pappschildern und der Aufschrift „Wacht auf! #fridaysforfuture dachten wir, dass die Menschen schon zur Vernunft kommen würden. Damals hatte ich nachdem ich eine Dokumentation über die Klimakrise gesehen hatte begriffen: Es ist viel ernster als ich vermutet hatte. Wir müssen jetzt etwas tun, nicht erst im Jahre 2025 oder 2038. Ich dachte, wir müssen einfach ein paar Monate den Schulunterricht streiken und dann würden die Entscheidungsträger*innen endlich anfangen, unser Recht auf eine sichere Zukunft ernst zu nehmen. Doch da habe ich mich wohl geirrt.

Mit der Zeit verstand, dass es nicht nur um unsere Zukunft, sondern auch um die Gegenwart von Menschen in anderen Teilen der Erde geht. Dass es nicht nur unser Recht auf Zukunft ist, was uns auf den Straßen streiken lässt, sondern auch die Verantwortung, die wir im globalen Norden übernehmen müssen. Wir sind die Hauptverursacher*innen der Klimakrise und leben unsere Privilegien auf den Schultern von Menschen, die schon heute von den Folgen der Erderhitzung zur Flucht getrieben werden. Diese Erkenntnis erfüllt mich einerseits mit Scham. Gleichzeitig wird mir dadurch klar: Ich kann nicht nur zusehen und abwarten, dass schon die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Ich muss handeln.

Das hier ist die Light-Version

Der Klimakrisensommer, der sich hier vor meiner Haustür abspielt, ist die Light-Version dessen, was an anderen Orten dieses Planeten vor sich geht. Es ist die Light-Version dessen, was uns in Zukunft erwartet, wenn weiterhin nichts passiert. Und damit sich die Blätter nicht mehr mitten im August an den Bäumen kräuseln, damit wir uns nicht mehr vor massiven Ernteausfällen fürchten müssen und damit wir die Verantwortung übernehmen, die wir haben, müssen wir politisch werden. Damit meine ich: Wir müssen uns zusammenschließen und gemeinsam etwas verändern! Ich darf dir eines verraten: Es ist nicht nur wichtig, es ist auch das Einzige, was mir Hoffnung und Kraft gibt.

Wenn ich an das Leben denke, was ich noch vor mir habe, dann bekommen ich oft große Angst. Die Prognosen von Expert*innen gehen von beängstigend bis schockierend. Da würde ich gerne abwinken und die Schultern zucken. Doch das kann ich nicht mehr. Allein, wenn ich vor meinem Fenster die vertrockneten Blätter im heißen Wind wippen sehe, ist ein Verdrängen nicht mehr möglich. Deswegen möchte ich auf die Chancen und Möglichkeiten schauen, die wir noch haben. Und ich kann eines verraten: Es gibt Viele, und ebenso viel zu tun!