Wer bin ich, wenn ich mir Sorgen um die Welt mache? – der Weg zum Aktivismus


Ich verkroch mich immer mehr in mir und meiner Gedankenwelt, denn die große Welt war für mich ein großes Monster.

Meine Gedankenwelt

Wenn ich heute an mich vor genau einem Jahr zurückdenke, dann weiß ich noch genau, wie schlecht es mir ging. Meine familiären und schulischen Probleme waren für mich so groß und schwer geworden, dass sich mein Leben wie eine große Last anfühlte. Mein Blick reichte gerade so bis zur meiner Nasenspitze, alles darüber hinaus beschäftigte mich wenig.

Klima, Krieg, Flüchtlinge??? Themen die meine Kompetenzen weit überschritten und für mich zu weit weg waren um mich damit zu beschäftigen. Ich war bereits seit einigen Jahren Vegetarierin, aber aus moralischen Gründen. Dass der Verzicht auf Fleisch, was an meinem ökologischen Fußabdruck ändert, kam mir nie in den Sinn.              

Trotzdem beschäftigte mich etwas innerlich. Ich verkroch mich immer mehr in mir und meiner Gedankenwelt, denn die große Welt war für mich ein großes Monster. Und ich passte irgendwie nicht in das System, weil ich die Lebenseinstellung und die Art zu leben nicht verstand. Es schien, nur „Immer weiter, immer schneller und immer mehr“ zu geben. Ohne Rücksicht auf Verlust.

Aus dem Schneckenhaus, ins Leben

Im Sommer fand ich mich aus irgendeinem Grund auf einer Demo von FFF wieder. Vom konkreten Klimawandel hatte ich nur wenig Ahnung, aber mein Gefühl, etwas für die Zukunft der Erde tun zu müssen, brachte mich dort hin. Mehr nicht. Es war ein kleines Gefühl in mir. Wissen hatte ich so gut wie keins. Was Antikapitalismus ist, weiß ich erst seit zwei Wochen.

Die Situation auf der Demo  war für mich sehr skurril. Es waren einfach nur viele, fremde Menschen, welche schreiend durch die Straßen liefen. Man muss dazu sagen, ich war davor nie auf einer Demo. Irgendwann hörten die Leute auf zu schreien, wir standen vor einem Parteihauptsitz und einige Politiker*innen standen mit uns davor. Aus dem Schreien wurde zu einer sehr konstruktiven Diskussion. Ich war in dem Moment einfach nur fasziniert, wie Kinder und Jugendliche so gut formulierte Fragen an die Erwachsenen stellten. Ein wenig verwirrt und überflutet an Informationen, ging ich mit komischen Gefühl nach Hause. Dem Gefühl, selbst etwas verändern zu müssen.

In diesem Sommer ging ich noch einige Male freitags mit den Anderen auf die Straße, aber der bewegendste Moment, war der 20. September, als fast 30.000 Leute am Rotebühlplatz an der Kreuzung standen und sich gegenseitig Applaudierten und anschließend, schreienden, wütend, aber gleichzeitig voller Energie, mit ihren Demoschildern zum Schlossplatz liefen. So viele unterschiedliche Gefühle zur selben Zeit, trug ich selten in mir. Zum einen war ich überwältigt, von der Power der Menschen und dem Zusammenhalt, zum anderen wurde mir an diesem Tag bewusst, wie viel falsch läuft auf der Welt und ich ging mit einem sehr großen Schmerz in mir nach Hause. Zwei Wochen später saß ich bereits bei einem Orgatreffen. Bis Ende November lernte ich so viel über den Klimawandel und die Welt, dass ich es schaffe vor 10.000 Leuten über meinen Weltschmerz zu reden…

Die Veränderung

Was ich mit meiner Geschichte sagen möchte ist, dass es nicht schwer ist aktiv zu werden. Ich hätte nie geglaubt, ohne viel Wissen und ohne großes Können, so von einer Aktivistengruppe aufgenommen zu werden. Das Besondere dabei ist, dass wir alle dasselbe Gefühl teilen, den Schmerz und die Wut. Und diese bringt uns zusammen und bringt uns auch voran. Wissen kann man sich aneignen. Heute weiß ich so viel mehr, als vor einem Jahr. Ich kann in der Schule viel besser mitdiskutieren, ich kann faktisch argumentieren, usw. Aber das Wichtigste ist, dass ich den Willen zur Veränderung in mir trage. Und den Glauben, dass wir etwas bewegen können in dieser Welt.  Der große Weltschmerz, mit dem ich am 20.09 nach Hause ging, ist heute immer noch da und manchmal erdrückt er mich. Weil er nicht alleine kommt, mit ihm kommen die ganzen Sorgen, wie wohl die Zukunft aussehen wird, wie heiß die Sommer in den nächsten Jahren werden, oder welche Pandemien uns noch einholen werden… Aber ich habe gelernt, dass der beste Weg, mit seinem Schmerz und seinen Sorgen umzugehen, dagegen aktiv werden und etwas verändern ist.