Das Planungs- und Beratungsunternehmen Fichtner ist beteiligt an dem geplanten Bau eines Kohlekraftwerks in den Sundarbans, den größten Mangrovenwäldern der Erde. Fridays for Future und weitere Gruppen kritisieren diese Mitarbeit scharf und fordern das Unternehmen auf, sich aus diesem ökologisch und kulturell umstrittenen Projekt zurückzuziehen.
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Fichtner – noch nie was davon gehört. Könnte das das neue Siemens sein? Rampal das neue Adani? Nur krasser – denke ich jetzt. Ich suche das Planungs- und Beratungsunternehmen mit Sitz in Stuttgart im World Wide Web. Ich gelange auf ihre Website, ein Bild eines Windradparks lächelt mir entgegen, ‚Anspruchsvolle Projekte. Für Kunden in aller Welt.’ steht da. Unter ‚Über uns’ blicken mir acht weiße, ältere Männern in Anzug entgegen, die auf den ersten Blick alle gleich aussehen. (Eine Freundin kommentiert: „Wollen die in dem Bild die Vielfalt der Krawatten zeigen die ein weißer Mann tragen kann um wieder mal einen Beitrag zur Erdzerstörung zu leisten?“) Sympathisch. Die Website sieht grün gewaschen aus. Sie lässt jedenfalls nicht vermuten, dass ebendieses Unternehmen zeitgleich plant, ein Kohlekraftwerk im Urwald mitzubauen: Rampal – a project made possible by Fichtner.
Ein Wald von Bedeutung
Die Sundarbans, die sich über Gebiete Bangladeshs und Indiens erstrecken, sind Heimat zahlreicher bedrohter Arten und ortsansässiger Menschen. – Und nebenbei bemerkt UNESCO Weltnaturerbe und Naturschutzgebiet. Die Mangrovenwälder sind nicht nur einzigartig, sondern auch wichtig, denn sie schützen das Land vor Stürmen und bieten die Lebensgrundlage für Millionen Menschen. Während Bangladesh bereits jetzt eines der am stärksten betroffenen Länder von der Klimakrise ist, verschärft das geplante Kohlekraftwerk Rampal die Auswirkungen dieser auf mehreren Ebenen. Nicht nur der Bau, sondern auch die zusammenhängende Zerstörung des Ökosystems, besonders auch die Kohleanlieferung über die seichten Gewässer des Waldes, gefährden die Sundarbans und ihre Funktionen für das Klima. Außerdem ist die Idee, jetzt, 2020, noch ein neues Kohlekraftwerk zu bauen, eine Einbahnstraße in die fossile Abhängigkeit und ein weiterer Herd für die sich zuspitzende Klimaerhitzung. „Das für uns gültige und extern zertifizierte Integrierte Managementsystem erfüllt […] auch die Anforderungen der ISO 14001 für Umweltschutz“ heißt es bei ‚Qualität, Sicherheit und Umwelt’ auf Fichtners Webseite. Ich frage mich, was für Anforderungen diese ISO 14001 vorschreibt. Ich habe zumindest den leise dröhnenden Verdacht, dass sie ziemlich niedrig sind– wenn bei einem Kohlekraftwerk in einem Weltnaturerbe nicht alle Alarmsirenen schrillen.
# SaveTheSundarbans
Der bereits zehn Jahre andauernde Protest in Bangladesh ist aufgrund von Repression und Vertreibung nicht mehr sicher für die Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort. Deswegen haben sich in Stuttgart nun regionale Gruppen zusammengeschlossen, darunter Fridays for Future, Extinction Rebellion, Ende Gelände und Grüne Jugend, um das Unternehmen zur Vernunft zu bringen. Protest – besser als ISO 14001. Angeregt wurde dieser in Deutschland durch Tonny Nowshin, Klimaaktivistin aus Bangladesh und globale Koordinatorin der ‚Save the Sundarbans’ Kampagne. Die Strategie der Kampagne beschreibt sie so: „Fichtner ist die führende Ingenieursfirma des Projekts und wir gehen davon aus, dass ihr Ausstieg Rampal massiv verlangsamen, und sowie finanziell als auch logistisch einen Strich durch die Rechnung der Regierung machen wird.“ Damit könne man sich Zeit erkaufen und darauf hoffen, dass die Situation sich in wenigen Jahren so verändert, dass das Kraftwerk überhaupt nicht gebaut oder in Betrieb genommen wird. „Also – mit dieser Kampagne wollen wir primär Fichtner stoppen am Bau mitzuwirken. Und ultimativ das ganze Kraftwerk verhindern und unseren Wald beschützen.“ Fasst Tonny zusammen [von mir aus dem Englischen übersetzt].
Ein neokolonialistischer Touch
Yvonne, Aktivistin bei Extinction Rebellion Stuttgart, hat mitgeholfen, die Aktion nach Stuttgart zu bringen. Sie formuliert die vorliegende Problematik so: „Die Gründe des Protests sind vielfältig und lassen sich mit Neokolonialismus, Profitstreben, europäischer Wichtigtuerei und glattem Nichtrespekt für andere Völker sowie die Zukunft aller zusammenfassen.“ Eine deutsche Firma, die sich in ein Projekt einmischt, das Menschen vor Ort ihrer Lebensgrundlage beraubt, einzig aus dem Grund des Profitstrebens, steht im Kontext der Geschichte nicht nur in einem schlicht unverantwortlichen, sondern auch neokolonialen Licht.
Über 25 000 Menschen stimmen dem zu und haben eine Petition unterschrieben, die Fichtner zur Verantwortung ruft. „Unternehmen können nicht länger aus Projekten im globalen Süden Profit schlagen und gleichzeitig ihre Verantwortung dafür leugnen. Ein grünes Image in der Heimatstadt zu wahren, und gleichzeitig schädliche Projekte in weit entfernten Ländern umsetzen, das ist absolut inakzeptabel.“ [von mir aus dem Englischen übersetzt] sagt Tonny, die die Petition startete und gerade jetzt über Rassismus und Neokolonialismus auch im Klimagerechtigkeitskontext spricht.
Konzerne zur Verantwortung ziehen
Erst am Anfang des Jahres hatte Fridays for Future mit einer Kampagne gegen Siemens und dessen Beteiligung an der höchst umstrittenen Adani Kohlemine in Australien Schlagzeilen gemacht. International und bis in die Aktionärsversammlung wurde der Konzern daran erinnert, dass die junge Generation verfolgt, wo die Kohle hingeht – oder eben besser nicht. Wie Luisa Neubauer es in einem Instagram-Post ausdrückte: „This not a friendly reminder, it’s a friendly warning.“ [„Dies ist keine freundliche Erinnerung, es ist eine freundliche Warnung.“]
Denn anders als in der mainstream-medialen Debatte dargestellt, kommt es bei der Bekämpfung der Klimakrise in erster Linie nicht auf individuelle Konsumentscheidungen an. Die großen Konzerne entscheiden, was sie produzieren und auf den Markt bringen, und somit auch, was überhaupt gekauft, produziert, gebaut werden kann. Damit haben sie eine Verantwortung. Eine Verantwortung, die sie unter Profitmaximierungsgedanken und Kohle vergraben. Unsere Aufgabe ist es diese auszugraben und so lange unbequem vor ihrer Haustür zu stehen – und weitere Eskalationsstufen zu gehen – bis sie diese ernstnehmen, oder eben demokratisiert sind.Ja, ihr acht Anzugsmänner von Fichtner. We’re looking at you.