Wut


In meinem Artikel erzähle ich über Gefühle und Gedanken nach einem sexualisierten Übergriff. Es geht um die Fragen die ich mir noch immer stelle, um die Zweifel und Vorwürfe. Es macht mich immernoch wütend und traurig, wenn ich vom gesellschaftlichen Umgang mit Übergriffen höre. Es wird so oft über die Verantwortung des Opfers gesprochen und darüber, wie Betroffene sich schützturen.

Triggerwarnung: Gefühle nach sexualisiertem Übergriff.

Ich bin mal wieder so angepisst von dieser Person, die auf alle meineÄußerungen antwortet, nur um mir zu sagen, dass sie angeblich falsch sind. Diese Person, die aufgrund ihrer männlichen Sozialisation sich scheinbar aufgerufen fühlt, alles zu kommentieren und zu verbessern was ich von mir gebe. Dass ich mich mit den Themen beschäftige und ernsthafte Fragen stelle, scheint offenbar nicht relevant zu sein. Was mich noch mehr nervt und so wütend macht ist der belehrende Ton, der mich in völliger Selbstüberzeugung mit neoliberalen, patriarchalen Werten zuschüttet.

Diese völlige Verweigerung die Existenz von Diskriminierung und patriarchaler Gewalt anzuerkennen ist das Zeugnis der unsichtbaren Privilegien. Viel zu oft habe ich versucht, kostenlose Bildungsarbeit zu machen, über die existierende Gewalt und die Machtverhältnisse aufzuklären. Viel zu oft sah ich mich der Position mich rechtfertigen zu müssen, zu erklären was es heißt in einer Gesellschaft zu leben in der Femizide, patriarchale Gewalt zur Tagesordnung gehören. Denn alle drei Tage wird in Deutschland eine Frau von einem Mann getötet, jeden Tag wird es versucht.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Diskriminierung heruntergespielt wird. In der Vergewaltigung zwar auf dem Papier illegal ist, aber die Verantwortung für die Gewalt so oft auf das Opfer abgewälzt wird.

“Selber schuld, wenn du dich so anziehst.”
“Du hast es doch gewollt.”


Das sind Worte, die sich Betroffene anhören müssen.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Vergewaltigte als Erstes gefragt wird was sie zu dem Zeitpunkt des Übergriffs getragen hat. In der bei der polizeilichen Anhörung zuerst eine Warnung ausgesprochen wird, dass Falschaussagen strafbar sind, anstatt der Betroffenen das Gefühl zu geben, dass sie ernst genommen wird. Die Anzeigen werden kaum verfolgt, wenn Betroffene überhaupt Anzeige erstatten.
Wir werden in einer Gesellschaft sozialisiert, in der ich mich als Opfer eines Übergriffs zuerst frage was ich falsch gemacht habe. In der ich denke, ich sei ja selbst schuld, wenn ich nachts allein unterwegs bin.

Warum mache ich mir Vorwürfe, dass ich nicht deutlich genug „Nein“ gesagt habe?
Warum frage ich mich, ob ich wohl einfach nicht stark genug bin? Warum habe ich seitdem immer wieder das Gefühl keine Luft zu bekommen, wenn ältere Männer in meiner Nähe sind?
Warum kann ich diese Erfahrung nicht einfach aus meinem Gedächtnis löschen,sodass ich nicht immer wieder diese Moment erleben muss, in denen ich mich vor Ekel fast übergeben muss? Dieser Moment, in dem ich am liebsten meine Haut abschälen würde, um das sensuelle Gedächtnis der Berührung zu löschen.

Ich habe keine Anzeige erstattet. Unter anderem aus dem Grund, dass ich dachte der Übergriff sei nicht schlimm genug. Ein Teil von mir glaubt immer noch, ich hätte nicht klar genug Nein gesagt. Ich hatte Angst, den Täter zu blamieren. Ich schäme mich, nicht stark genug zu sein. Ich schäme mich für meine Sprachlosigkeit. Ich schäme mich, dass ich keine richtigen Worte für das finde, was passiert ist. Und ich denke immernoch, dass alles ja viel schlimmer hätte sein können. Das ich ja Glück gehabt habe.

Warum habe ich Mitleid mit dem Täter und denke, dass er wahrscheinlich einsam war? Warum sehe ich mich in der Verantwortung, diesen Menschen, der meine Grenzen so massiv überschritten hat, Nähe zu geben, zu helfen? 5 Euro hat er mir danach in die Hand gedrückt. Als wäre es das, was ich mir verdient gemacht habe. Als wäre ich brav gewesen, weil ich einfach nur still gehaltenhabe, aus Angst alles noch schlimmer zu machen.

Scheiße. Patriarchale Kackscheiße. Das war Gewalt und sie passiert jeden Moment, jeden Tag. Ob als Femizid, Vergewaltigung, sexualisierter Übergriffoder verbaler Übergriff. Ob als Hate Speech, Dick Pic oder unermüdliches Spammen über soziale Netzwerke. Ob als übergriffiges Kuscheln auf der WG-Party,angrabschen oder Gaslighting. Die patriarchale Gewalt hat so viele Wege und Methoden, um zu kontrollieren, zu dominieren und FLINTA* zu objektivieren.